Spannungsschmerz nach Herzoperation

Die 18-jährige Jasmin P. kam zu uns in die Praxis wegen häufiger Spannungskopfschmerzen.
Ins Auge fiel sofort ihre Haltungsproblematik. Sie neigte zu einem Rundrücken. Ihr Kopf befand sich
leicht vor der Halsachse und die Schultern standen nach Vorne. Bei der Diagnostik wurde eine lange Narbe auf ihrem Brustbein sichtbar.

Hypertrophe Narbe mit Einziehungen

Diese entstammte nach Frau Ps Angaben von einer Operation, die bei ihr wegen eines Herzfehlers im Säuglingsalter durchgeführt werden musste. Die Narbe schränke sie nicht ein, gab Frau P. an, weder im Sport noch bei anderen körperlichen Aktivitäten. Der Sichtbefund ergab eine leicht gerötete Narbe mit wulstartigen Ausstülpungen im unteren Narbenbereich auf Höhe der Brustbeinspitze. Im oberen Bereich war die Narbe unauffälliger. Im Oberbauch zeigten sich drei deutliche Einziehungen, welche von den Drainagen der Operation stammten.

Einziehungen durch Drainage

Der Tastbefund ergab stellenweise Verhärtungen des Narbengewebes. Das Anheben einer Hautfalte war in
den meisten Narbenabschnitten nicht möglich. Besonders auffällig waren die starken Einziehungen der Drainagenarben.

Sichtbare und unsichtbare Narben

Narben und Adhäsionen sind nach meinen langjährigen Berufserfahrungen die häufig unerkannten Ursachen für viele körperliche Beschwerden. Narbengewebe ist unspezifisches Ersatzgewebe. Jede Entzündung im Körper hinterlässt eine sichtbare oder unsichtbare Narbe. Das Narbengewebe verbindet Gewebsschichten miteinander, welche normalerweise keinen festen Kontakt zueinander aufweisen. Die Körperhaut liegt ohne feste Verbindungen zu Knochen und Muskeln nur leicht auf. Sie lässt sich ohne Widerstand überall auf dem Körper leicht verschieben oder locker abheben. Narbengewebe lässt diese Verschiebbarkeit nicht oder nur noch stark eingeschränkt zu. Solche Verklebungen von unterschiedlichen Körperstrukturen lassen sich überall dort beobachten, wo ein Entzündungsprozess statt gefunden
hatte. Das müssen nicht zwangsläufig Operationen oder offene Verletzungen sein. Ein Hämatom oder
ein verstauchter Zeh können durch die entzündlichen Prozesse bereits zu Verklebungen führen und die Verschiebbarkeit des Hautgewebes einschränken. Narben «verwachsen» sich nicht. Im Säuglingsalter entstandene Narben verändern mit dem Wachstum ihre Grösse, aber die Verklebungen bleiben bestehen.

Massanzug Haut

Die Haut gleicht einem Massanzug, der aus Obermaterial und Innenfutter besteht. Reisst der Stoff und muss zusammen genäht werden, verliert der Anzug an Passform. Faltenzüge werden sich vom Geflickten aus in den ganzen Stoff fortsetzen. Der Stoff spannt. Manche Bewegungen lassen sich nur noch eingeschränkt ausführen.

Schonhaltungen sind Fehlhaltungen

Bei Frau P. hatte die narbenbedingte Verbindung von Haut und dem Brustbein eine ähnliche Wirkung wie bei dem Beispiel vom Massanzug. Die Spannung der Brustbeinnarbe verhinderte die Streckung der Brustwirbelsäule. Bei Bewegungstests der Arme und der Brustwirbelsäule wurde ein Streckdefizit deutlich. Die optisch zwar unauffällige Narbe im oberen Brustbereich hatte Verklebungen der Schlüsselbein- Brustbeingelenke zur Folge. Frau P. war dadurch in den Bewegungen der Arme eingeschränkt und konnte die Oberarme nicht gestreckt neben die Ohren bringen. Auch war die Beweglichkeit des Brustkorbs durch die Spannung auf den Brustbein-Rippengelenken eingeschränkt. Die Narbe im Brustbeinbereich zwang Frau P. in eine Schonhaltung. Die Entlastung der einen Körperregion geht aber immer auf Kosten einer anderen und führt damit zu Überlastung. Frau P. schonte den Bereich der Brustnarbe, indem sie sich nach Vorne – Unten beugte und dem Zug unbewusst nachgab. Diese Schonhaltung führte zu erhöhter Muskelspannung im Nacken und löste dadurch die Kopfschmerzen aus.

Das System Bindegewebe

In der Praxis muss der schmerzhaft verspannte Muskel nicht der Anfang der Spannungskette sein. Oft ist er sogar dessen Ende und lässt sich lokal nicht lösen. Das hängt mit der Struktur des Bindegewebes zusammen. Dieses ist ein Form gebendes Organ und umhüllt alle Strukturen unseres Körpers. Es trennt oder verbindet die einzelnen Bausteine des Bewegungsapparates, sowie alle anderen körpereigenen Systeme. Über dieses Endlossystem des Bindegewebes werden unter anderem Spannungen von Muskeln übertragen. So entstehen Muskelketten, die eine energiesparende, fliessende Bewegung ermöglichen oder aber Fehlspannungen weiterleiten. Jede Bewegungseinschränkung in den Füssen, Knie- oder Hüftgelenken erhöht die Muskel- und Gewebsspannung der oberen Region und damit des Narbengewebes im Brustbereich. Das Lösen der Brustbeinnarbe, wie bei Frau P. ist erst möglich, wenn keine kompensatorischen Spannungen aus den unteren Körperregionen mehr vorhanden sind.

Boeger-Therapie®, die systemische Narbentherapie

Am Beginn der Boeger-Therapie® stehen die drei Basisbewegungen, mit denen wir die maximale Beweglichkeit des Bindegewebes testen.

Ist eine dieser Bewegungen blockiert, kann der Patient nicht die aufrechte Haltung im Alltag einnehmen. Bei Frau P. war die Beweglichkeit der Brustwirbelregion und der Oberarme, sowie die Hüftbeweglichkeit links eingeschränkt. Eine genauere Untersuchung des linken Fusses ergab entzündungsbedingte Verklebungen im Kleinzehengrundgelenk. Mit dem Lösen dieser Adhäsionen verbesserte sich die Beweglichkeit der linken Hüfte. Die Muskelketten öffneten sich und die Spannung der Brustwirbelsäule reduzierte sich. Damit war der Weg frei zum Lösen der Brustbeinnarbe. Das Lösen selbst geschieht in der Boeger-Therapie® mittels einer Lifttechnik. Die Verklebungen der Körperschichten im Narbenbereich werden Schritt für Schritt auf Spannung gebracht und so lange gehalten, bis die Schichten sich von einander trennen. Das dauert pro Lift maximal 30 Sekunden und ist mit einem hellen, spitzen, nachlassenden Schmerz verbunden. Einmal gelöste Narben bleiben dauerhaft frei.

Nach zweimal neun Behandlungen hatte sich die Narbenverklebung im Brustbereich bei Frau P. gelöst. Die Narben wurde weicher und optisch unauffälliger. Weiterlaufend optimierte sich die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule und des Schultergürtels. Frau P. konnte sich nun mühelos aufrichten, wodurch die Nackenspannung und die damit verbundenen Kopfschmerzen verschwanden. Die gewonnene aufrechte Haltung konnte sie in ihren Alltag integrieren.